Der Radar ihrer Erinnerungen
Eine zeitgemässe Segnung der Zivilisation
Es ist immer wieder erstaunlich, wie geheimnisvoll manche Artikel bleiben, wenn es um etwas Geheimnisvolles geht. Und dasselbe gilt für Kunstausstellungen im Allgemeinen und der Ausstellung REVISIONS im Rautenstrauch-Joest Museum in Köln. Ich muss erwähnen, dass ich diesen Brief in situ von zu Hause schreibe und die Ausstellung nicht mit eigenen Augen gesehen habe, sondern mich auf den Artikel von Dr. Anette Rein in ExpoTime! Ausgabe Jan/Feb 2024 beziehe.
Die Ausstellung thematisiert die Auswirkungen der europäischen Kolonialisierung auf die indigenen Völker Australiens, insbesondere die Warlpiri, die in Zentralaustralien leben. Sie betonen ihre tiefe spirituelle Verbindung zum traditionellen Land, wobei ihre Kunst die Notwendigkeit hervorhebt, identitäre Perspektiven zu integrieren und zu respektieren, die in westlichen historischen Narrativen fehlen. Die Warlpiri-Künstler nutzen vorwiegend die Punktemalerei, um ihre Geschichten und kulturelles Selbstverständnis auszudrücken und historische Verzerrungen ihrer Geschichte zu kritisieren. Die Ausstellung zeigt die Reinterpretation von Archivmaterial und historischen Fotografien durch die Warlpiri-Künstler, um ihre Sichtweise auf die australische Geschichte zu präsentieren. Sie schaffen neue Erzähl- und Bildformen, um die komplexen Beziehungen zu ihren Vorfahren und Traumpfaden, in ihrer eigenen Sprache "jukurrpa" genannt, darzustellen. Besucher werden ermutigt, die Grenzen westlicher Wissensansprüche zu hinterfragen und die Welt aus indigenen Perspektiven zu betrachten.

Enough Picture, Restricted with Dorothy Napurrurla Dickson
Australien wurde ab dem späten 18. Jahrhundert offiziell kolonisiert, wobei die europäische Besiedlung mit der Ankunft der britischen Flotte unter Captain Arthur Phillip am 26. Januar 1788 in Port Jackson begann. Vor der Kolonisierung war die genaue Anzahl der Aborigines unklar, aber ihre Bevölkerung wurde auf 750.000 bis 1,25 Millionen geschätzt. Heute machen etwa 800.000 Aborigines und Torres-Strait-Insulaner etwa 3,3 % der australischen Bevölkerung aus.
Ich sehe rein theoretisch einen klitzekleinen Konflikt in dem Anspruch, Kunst für die weiße Wand zu machen und frage mich, ob das gepinselte Genre statt des Bemalens von Körpern und Steinen nicht eine Adaption westlicher Lebensweise ist. Völlig abgehoben ist der vehement artikulierte Aspekt, dass Inhalte nicht dargestellt werden dürfen, weil sie geheim oder heilig sind und den Augen der Uneingeweihten vorenthalten werden. Es ist wohl so zu verstehen, dass die Kunstpraktiken der Warlpiri nicht einfach eine Anpassung an westliche Lebensweisen sind, sondern vielmehr Ausdruck ihrer kulturellen Kontinuität und Identität in einer sich verändernden Welt. Die Tradition der Punktemalerei und die Darstellung von Traumlinien sind sehr tief in der Warlpiri-Kultur verwurzelt und drücken sowohl Weltanschauung als auch ein schöpferisches Erbe aus. Ich sollte also ihre Entscheidung akzeptieren, bestimmte Aspekte ihrer Kultur, die sie als geheime oder heilige Werte betrachten, nicht zu zeigen. Diese Geheimnisse sind Teil ihrer spirituellen Praktiken und erfordern, geschützt zu werden. Sie sind die spirituellen, nicht physischen Pfade, auf denen ihre Vorfahren durch das Land gereist sind und hinterlassen Spuren, die von den Nachfahren gepflegt werden und ihre Verbindung zum Land und ihrer Weltanschauung zu erzählen. Die Verwendung von Kunst als Instrument, um ihre Kultur auszudrücken, ist daher eine Form des Bewahrens, des Widerstands und der Wiederaneignung inmitten des kolonialen Erbes.

This Way Up, Restricted with Melinda Napurrurla Wilson, Polly Anne Napangardi Dixon, Kirsten Nangala Egan and Delena, Napaljarri Turner
Das Ausstellen ihrer Kunst in Museen wie im Rautenstrauch-Joest Museum in Köln schafft einen Raum, in dem ihre Geschichten und Perspektiven mit einem breiteren Publikum geteilt werden können. Es ist unsere nicht zu vergessende Pflicht, die Vielfalt und Komplexität indigener Kulturen zu würdigen und zu feiern, während gleichzeitig Respekt und Sensibilität für ihre kulturellen Werte und Überzeugungen gewahrt bleiben.
English Translation:
The Radar of their Memories
A contemporary blessing of civilization
by Hans Pfleiderer
It's always amazing how mysterious some articles remain when it's about something mysterious. And the same applies to art exhibitions in general and the exhibition called REVISIONS in the Rautenstrauch-Joest Museum in Cologne. I must mention that I am writing this letter in situ from home as I have not seen the exhibition with my own eyes, but am referring to the article by Dr. Anette Rein in ExpoTime! Issue Jan/Feb 2024.
The exhibition addresses the impact of European colonization on Australia's indigenous peoples, particularly the Warlpiri, who live in central Australia. They emphasize their deep spiritual connection to traditional land, with their art highlighting the need to integrate and respect identity perspectives missing from Western historical narratives. Warlpiri artists primarily use dot painting to express their stories and cultural self-image and to criticize historical distortions of their history. The exhibition features Warlpiri artists' reinterpretation of archive material and historical photographs to present their perspective on Australian history. They create new narrative and image forms to represent the complex relationships with their ancestors and songlines, called "jukurrpa" in their own language. Visitors are encouraged to question the limits of Western knowledge claims and view the world from indigenous perspectives.

Enough Picture, Restricted with Dorothy Napurrurla Dickson
Australia was officially colonized from the late 18th century, with European settlement beginning with the arrival of the British fleet under Captain Arthur Phillip at Port Jackson on January 26, 1788. Before colonization, the exact number of Aboriginal people was unclear, but their population was estimated at between 750,000 and 1.25 million. Today, around 800,000 Aboriginal and Torres Strait Islander people make up around 3.3% of the Australian population ( Source: Australian Bureau of Statistics (ABS) - https://www.abs.gov.au/ )
From a purely theoretical perspective, I see a tiny conflict in the claim to make art for the "white" wall and I wonder whether the brushy genre instead of painting bodies and stones is not an adaptation of the Western way of life. What is completely out of touch is the vehemently articulated aspect that content may not be shown because it is secret or sacred and is withheld from the eyes of the uninitiated. It should be understood that the Warlpiri's art practices are not simply an adaptation to Western ways of life, but rather an expression of their cultural continuity and identity in a changing world. The tradition of dot painting and the depiction of dream lines is deeply rooted in Warlpiri culture and expresses both a worldview and a creative heritage. So I should accept their decision not to show certain aspects of their culture that they consider secret or sacred values. These gems are part of their spiritual practices and require to be protected. They are the spiritual, not physical, paths along which their ancestors traveled across the land, leaving traces maintained by descendants to tell their connection to the land and their worldview. Using art as a tool to express their culture is therefore a form of preservation, resistance and reappropriation amid colonial legacy.

This Way Up, Restricted with Melinda Napurrurla Wilson, Polly Anne Napangardi Dixon, Kirsten Nangala Egan and Delena, Napaljarri Turner
Exhibiting their art in museums such as the Rautenstrauch-Joest Museum in Cologne creates a space in which their stories and perspectives can be shared with a wider audience. It is our never-to-be-forgotten duty to honor and celebrate the diversity and complexity of indigenous cultures while maintaining respect and sensitivity for their cultural values and beliefs.
Schreibkram - paperwork




