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„Rücksichtslos, roh, real: Die Gopnikisierung einer Nation.“

Hans Pfleiderer • 9. April 2025

Buchrezension, von mir aus dem Literarischen ins Moralische übertragen


Der Roman Der Große Gopnik (Большой Гопник) von Viktor Jerofejew ist eine bissige Satire, die den Einfluss des “Gopnik-Geistes” auf die russische Gesellschaft beschreibt: Von der Straße bis in den Kreml regiert eine Mentalität der Rücksichtslosigkeit, des Opportunismus und der Stärke um jeden Preis.

Kapitel 1: Einleitung

In diesem Buch beschreibt Viktor Jerofejew eine düstere und satirische Vision des heutigen Russlands. Der Titel verweist auf die Figur des “Gopnik”, ein in Russland verbreitetes Stereotyp eines kleinkriminellen, meist arbeitslosen und gewalttätigen jungen Mannes aus der Unterschicht, oft in Trainingsanzügen und mit einer Vorliebe für rohe Gewalt. Mit dem “Großen Gopnik” meint Jerofejew eine übersteigerte, fast mythische Version dieses Typs – eine Verkörperung brutaler Macht, die sich bis in die höchsten politischen und gesellschaftlichen Ebenen erstreckt. Es ist eine Metapher für die gegenwärtige russische Staatsführung, die sich autoritärer Methoden bedient und durch Einschüchterung, Korruption und Gewalt herrscht. Manche Interpretationen sehen in dieser Figur eine Anspielung auf Wladimir Putin und das politische System Russlands, das zunehmend von mafiösen Strukturen durchzogen ist.
  
Erzählt wird von Putins unaufhaltsamem Aufstieg und stellt ihn als Verkörperung des “Großen Gopnik” dar, der das russische Imperium als eine Art Märchenwelt sieht, die es vor den Einflüssen Europas und Amerikas zu retten gilt. Gleichzeitig fungiert der Schriftsteller Viktor Jerofejew als sein Gegenspieler und bietet eine literarische Erklärung für die aktuellen Ereignisse in Russland. Der Roman ist in kurze Kapitel unterteilt, die zwischen verschiedenen Perspektiven, Zeitebenen und Bedeutungsebenen wechseln. Diese Struktur spiegelt die Komplexität und das Chaos der russischen Realität wider. Der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und wird in kursiv gesetzten Passagen reflektiert, die die Gedanken und Gefühle des Autors zum Ausdruck bringen. Insgesamt bietet “Der Große Gopnik” eine tiefgehende Analyse der russischen Gesellschaft und ihrer politischen Führung, verpackt in ein literarisches Werk, das Elemente von Autobiografie, Essay und Fiktion miteinander verbindet. Es ist ein imposanter Roman über das Drama des heutigen Russland.  

Kapitel 2: Ein Joycesche Dichtungsversuch

Moskau unter einem Himmel wie nasser Stoff über mattem Gold Iwan Zarewitsch tritt durch Glas in eine Stadt die ihn vergessen hat oder ihn zu gut kennt wo keine Musik nur Maschinen Atem aus Metall Schatten erwarten die Luft so schwer wie Öl und sein Herz schlägt nicht im Takt der Zeit kein Stern nur Neon das nie blinkt unter kalten Fingern nach Regeln greifend beugen sich durch Korridore ohne Türen dumme Gesichter stumme Stimmen hohl huch der große Gopnik thront über Karten ohne Menschen er sieht nur Grenzen nur Blut Asche fällt wie Schnee Panzer rollen vorbei eine Frau steht mit einem Kind da der Atem gefriert der Hunger nicht Alexei ist schwach und fällt der Film geht weiter der Held wird zu einer Nummer wird vergessen Männer frieren in Zellen ohne Licht ihr Atem zeichnet Schatten in einem Korb das keine Menschen kennt nur Schuld dann viel später die Nachricht aus dem Nichts Alexei Navalny ist tot heißt es aber der Name lebt im Flüsterton weiter Iwan reitet durch Wälder durch Nächte durch ein Russland das vielleicht erwacht oder vielleicht nie

1. Und so endet das Märchen

2. Der große Gopnik sitzt auf Knochen

3. Vor ihm Karten ohne Menschen

4. Nur Grenzen, Eis, Blut

5. Rauch steigt auf wie Schnee

6. Während Häuser brennen

7. Straßen leer

8. Eine Frau mit einem Kind

9. Atem gefroren, Hunger heiß

10. Ein Kraftwerk fällt

11. Funken erlöschen

12. Schnee auf den Ruinen und Toten

13. Alexei fällt

14. Uniformen warten

15. Der Held wird zur Nummer, wird vergessen

16. Männer frieren in Zellen

17. Ihre Körper sind die einzige Schuld im System

18. Später kommt die Nachricht

19. Alexei Navalny ist tot, heißt es

20. Aber was ist der Tod

21. wenn der Name weiter flüstert


Kapitel 3: Literarische Einflüsse


Das groteske Erbe der russischen Literatur rumort in Viktor Jerofejews Werk. Er ist ein literarischer Sprengmeister. Seine Romane und Essays entfalten sich wie ein abgründiges Karnevalsfest, in dem Gewalt, Wahnsinn und Sarkasmus aufeinanderprallen. Doch sein Werk steht nicht im luftleeren Raum – es ist tief verwurzelt in der russischen und europäischen Literaturgeschichte. Sechs große Schriftsteller haben seinen Stil geprägt, und in jeder ihrer Figuren findet sich ein Echo von Jerofejews überdrehter Erzählweise. Er verbindet diese Einflüsse zu einem eigenständigen Stil, der zwischen Satire, Philosophie und radikaler Provokation schwankt, steht somit in der Tradition der russischen literarischen Avantgarde und des absurden Realismus. Seine wichtigsten Vorbilder und Einflüsse sind:


1. Der Teufel als Spielmacher


Michail Bulgakow, besonders Der Meister und Margarita mit seiner Mischung aus Satire, Fantastik und Gesellschaftskritik hat Jerofejews Stil geprägt. Die groteske Darstellung der sowjetischen Realität und der spielerische Umgang mit dem Absurden finden sich auch in Jerofejews Werk wieder. Kaum ein Autor hat das Groteske so kunstvoll in die russische Literatur eingeflochten wie Michail Bulgakow. In Der Meister und Margarita stiftet der Teufel Woland mit seiner dämonischen Truppe in Moskau Chaos und entlarvt die Heuchelei der sowjetischen Gesellschaft. Jerofejew folgt diesem Vorbild, wenn er in Der Große Gopnik die russische Gegenwart als einen grotesken Zirkus inszeniert, in dem Macht und Anarchie verschwimmen. Seine Figuren sind oft teuflische Gestalten, die mit sadistischer Lust das System zerstören – nicht anders als Wolands Handlanger, der sprechende Kater Behemoth, der mit Pistolen schießt und Witze über die Hölle reißt.


2. Der Wahnsinn des Alltags


Daniil Charms, der russische Avantgardist und Begründer des absurden Realismus hatte großen Einfluss auf Jerofejew. Seine kurzen, oft surrealen Texte voller Gewalt, Humor und Nihilismus spiegeln sich in Jerofejews fragmentarischer, oft grotesker Erzählweise. Der Meister des literarischen Absurden, hat eine Welt geschaffen, in der Menschen einfach verschwinden, sich auflösen oder von Fenstern stürzen – nicht aus dramaturgischen Gründen, sondern weil die Logik der Realität aufgehoben ist. Sein kurzer Text Ein gewisser alter Mann erzählt von einem Greis, der ohne Vorwarnung umfällt und stirbt – einfach so. Jerofejew nutzt dieses Prinzip der plötzlichen, sinnlosen Gewalt in vielen Szenen seines Werks. In Der Große Gopnik wird eine Nebenfigur mitten im Satz erschlagen, als wäre sie eine lästige Fliege – das Leben in Russland ist eben zufällig, brutal und ohne Mitleid.


3. Gogols verlorene Seelen


Nikolai Gogol – Vor allem die satirische Überzeichnung von Charakteren und die absurde Darstellung von Bürokratie und Machtstrukturen erinnern an Gogols Stil. Niemand hat die absurde Bürokratie des zaristischen Russlands so als Farce entlarvt wie Nikolai Gogol. In Die Nase wacht ein Beamter auf und stellt fest, dass seine eigene Nase verschwunden ist – und noch schlimmer: Sie läuft frei durch St. Petersburg und macht Karriere. Die groteske Machtlosigkeit des Menschen gegenüber einem undurchsichtigen System ist ein Thema, das Jerofejew weiterführt. Seine Figuren kämpfen nicht gegen Geister oder Dämonen, sondern gegen eine russische Realität, die ebenso unberechenbar und verhöhnend ist wie Gogols überzeichnete Bürokraten.


4. Dostojewskis Dämonen


Fjodor Dostojewski – Besonders die psychologische Tiefe und das existenzielle Ringen mit Moral, Schuld und Chaos in Werken wie Der Idiot oder Die Dämonen haben Jerofejews düstere, philosophische Reflexionen seiner zerrissenen, russischen Seele beeinflusst. Wenn es eine literarische Tradition gibt, die den inneren Abgrund des Menschen beleuchtet, dann ist es die von Fjodor Dostojewski. In Die Dämonen wird ein revolutionärer Mord zu einer Farce, weil die Täter selbst nicht wissen, ob sie für das Richtige kämpfen oder einfach nur morden. Jerofejew setzt diese Tradition fort, indem er Figuren erschafft, die zwischen Größenwahn und Nihilismus taumeln. In Der Große Gopnik wird ein Kleinganove plötzlich zum Politiker – nicht, weil er überzeugt ist, sondern weil die Umstände ihn in diese Rolle treiben. Wie Dostojewskis Kirillow, der sich umbringen will, um seine absolute Freiheit zu beweisen, stolpert Jerofejews Held von einer existenziellen Katastrophe in die nächste.


5. Das Trinken als Philosophie – Wenedikt Jerofejews Vermächtnis


Wenedikt Jerofejew (keine Verwandtschaft), der Autor des Kultromans Moskau–Petuschki hinterlies mit seiner alkoholgetränkten, poetischen und tragikomischen Prosa ein Vermächtnis, ein literarisches Bild der sowjetischen und post-sowjetischen Verwahrlosung, was auch in Der Große Gopnik präsent ist. Ein Autor, mit dem er oft verwechselt wird, ist Wenedikt Jerofejew, der in Moskau–Petuschki einen betrunkenen, melancholischen Erzähler durch die sowjetische Provinz taumeln lässt. Sein Held philosophiert über Liebe, Macht und Alkohol, während er sich mit Spiritus betrinkt. Auch Viktor Jerofejews Protagonisten sind häufig Alkoholiker, doch bei ihm schlägt die Trunkenheit in blanke Gewalt um. Wo Wenedikt Jerofejew noch eine tragikomische Poesie findet, zeichnet Viktor Jerofejew eine entmenschlichte Welt, in der das Trinken nicht mehr Rebellion, sondern nur noch Überleben ist.


6. Kafka und Sartre


Franz Kafka und Jean-Paul Sartre – Die Absurdität des Daseins und das Gefühl der existenziellen Verlorenheit, die in ihren Werken eine zentrale Rolle spielen, resonieren bei Jerofejew, wenn er die russische Gesellschaft als eine Art absurdes Theater beschreibt.


Lassen Sie mich die berühmte Aussage „Die Hölle, das sind die anderen“ von Jean-Paul Sartre insertieren. Diese steht im Zentrum seines Theaterstücks Geschlossene Gesellschaft (Huis clos, 1944). Sie ist ein Grundstein existenzialistischer Philosophie. Damit meint Sartre nicht, dass andere Menschen per se schrecklich sind, sondern dass unser Selbstbild durch den Blick und das Urteil anderer entsteht – und das kann zur Qual werden. Wir sind in gewisser Weise „Gefangene“ im Blick der anderen, die uns festlegen, definieren, beurteilen. Und wo kommt Kafka ins Spiel? Franz Kafka hat diesen Gedanken – auf seine Weise – literarisch vorweggenommen oder parallel ausgedrückt. Zwar hat er nicht explizit oben genannten Satz gesagt, aber viele seiner Werke zeigen, wie das Ich durch äußere (meist anonyme, absurde oder undurchschaubare) Instanzen bedrängt und entmenschlicht wird. Zum Beispiel in Der Prozess: Josef K. wird verurteilt, ohne zu wissen warum – der Einzelne steht einem fremden System gegenüber, das ihn beurteilt und vernichtet.


Der gemeinsame Nenner: Bei Sartre ist die Hölle der soziale Blick, das ständige Gesehen- und Bewertetwerden, bei Kafka ist es oft die unergründliche Macht des Systems oder der Gesellschaft, die das Individuum zermalmt. In beiden Fällen verliert sich der Mensch selbst durch die Macht, die „die anderen“ über ihn ausüben. Diese Impulse aus der europäischen Literatur bewirken, daß seine Helden oft fassungslos vor einer Realität stehen, die sie nicht verstehen, aber ertragen müssen.


Kapitel 4: Eine Karikatur des russischen Daseins


Viktor Jerofejews Der Große Gopnik zeichnet sich durch einen provokanten, satirischen und absurden Schreibstil aus. Sein Erzählen ist oft fragmentarisch, überdreht und voller grotesker Überzeichnungen. Er nutzt eine lakonische, aber zugleich poetische Sprache, die zwischen vulgärer Direktheit und philosophischer Reflexion schwankt. Dabei spielt er mit Exzessen, derber Komik und surrealen Bildern, um gesellschaftliche und politische Missstände in Russland zu entlarven. Er arbeitet mit einer Mischung aus schwarzem Humor, existenzieller Verzweiflung und einer gewissen spielerischen Resignation. Sein Stil erinnert an eine Mischung aus russischem Underground, postmoderner Satire und absurdem Theater. Besonders prägnant ist seine Art, die russische Realität als eine Art grotesken Karneval darzustellen, in dem Gewalt, Macht und Chaos sich zu einer absurden Farce verdichten. Sein Werk ist ein Spiegel, in dem sich nicht nur Russland, sondern die gesamte moderne Welt in ihrer Absurdität erkennt – und dabei vielleicht sogar lacht, wenn auch bitter.


Viktor Jerofejew, Der Große Gopnik: Roman, 624 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin; 4. Edition, 2023

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Foto und Grafik © IndEx 2025


Hans Pfleiderer und Viktor Jerofejew Backstage im Züricher Opernhaus zur Premiere von Leben mit einem Idioten, 3.11.2024

Schreibkram - paperwork

von Hans Pfleiderer 14. April 2025
Ein kritischer Essay über Michail Chodorkowskis „Wie man einen Drachen tötet: Handbuch für angehende Revolutionäre"
von Hans Pfleiderer 10. April 2025
The novel The Great Gopnik (Большой Гопник) by Viktor Yerofeyev is a biting satire that describes the influence of the Gopnik-spirit on Russian society: From the streets to the Kremlin, a mentality of ruthlessness, opportunism and strength at all costs reigns. Chapter 1: Introduction In this book, Viktor Jerofejew describes a dark and satirical vision of today's Russia. The title refers to the figure of the "gopnik", a common stereotype in Russia of a petty criminal, usually an unemployed and violent young man from the lower classes, often in tracksuits and with a penchant for brute force. Yerofeyev means an exaggerated, almost mythical version of this type - an embodiment of brutal power that extends to the highest political and social levels. It is a metaphor for the current Russian state leadership, which rules through authoritarian methods, intimidation, corruption and violence. Some interpretations see this figure as an allusion to President Vladimir Putin and Russia's political system, which is increasingly permeated by mob-style structures. It tells of Putin's unstoppable rise to the top of the state and presents him as the embodiment of this species of rowdy, who sees the Russian empire as a kind of fairytale world that needs to be saved from the influences of Europe and America. At the same time, the author himself acts as his antagonist and offers a literary explanation for current events in Russia. The novel is divided into short chapters, that alternate between different perspectives, time frames and layers of meaning. This structure reflects the complexity and chaos of Russian reality. A reoccurring hint the size of a billboard is the date of February 24, 2022, the day of the Russian attack on Ukraine, runs like a thread through the book and is reflected in italicized passages that express the author's thoughts and feelings. Overall, the book offers an in-depth analysis of Russian society and its political leadership, wrapped up in a literary work that combines elements of autobiography, essay and fiction, a masterful and compelling novel that explores the human and systemic drama of today’s Russia, set against a backdrop of chaos, transformation, and deep societal unrest. Chapter 2: The Joycean attempt riffing on unfamiliar words Moscow under a sky like wet fabric over dull gold Ivan Tsarevich steps through glass into a city that has forgotten him or knows him too well no music only machines breath of metal shadows await the air as heavy as oil his heart beats out of sync with the times no star only neon that never blinks cold fingers grasp rules bend through corridors without doors faces mute voices hollow the Great Gopnik towers over maps without people only borders only blood Ashes fall like snow, tanks roll by, a woman stands with a child, breath freezes, hunger does not, Alexei falls, the film continues, the hero becomes a number, is forgotten, men freeze in cells without light, their breath paints shadows in a system that knows no people, only guilt. Then, much later, the news out of nowhere: Alexei Navalny is dead, they say, but the name lives on in whispers. Ivan rides through forests, through nights, through a Russia that may awaken or may never! And so the fairy tale ends The great Gopnik sits on bones In front of him, maps without people Only borders, ice, blood Smoke rises like snow While houses burn Streets empty A woman with a child Breath frozen, hunger hot A power plant falls Sparks extinguish Snow on the ruins and dead Alexei falls Uniforms await The hero becomes a number, is forgotten Men freeze in cells Their bodies only guilt in the system Later the news hits Alexei Navalny is dead they say But what is death When the name continues to whisper Chapter 3: Literary influences The grotesque legacy of Russian literature rumbles in Viktor Yerofeyev's work. He is a literary master blaster. His novels and essays unfold like an abysmal carnival festival in which violence, madness and sarcasm collide. But his work does not exist in a vacuum - it is deeply rooted in Russian and European literary history. Six great writers have influenced his style, and in each of their characters there is an echo of Yerofeyev's over-the-top narrative style. Yerofeyev combines these influences to create an independent style that oscillates between satire, philosophy and radical provocation. Viktor Yerofeyev stands in the tradition of the Russian literary avant-garde and absurd realism. His most important role models and influences are: a. The devil as playmaker: Mikhail Bulgakov, especially The Master and Margarita with its mixture of satire, fantasy and social criticism, influenced Yerofeev's style. The grotesque depiction of Soviet reality and the playful use of the absurd can also be found in Yerofeyev's work. Hardly any other author has woven the grotesque into Russian literature as artfully as Mikhail Bulgakov. In The Master and Margarita, the devil Voland and his demonic troupe create chaos in Moscow and expose the hypocrisy of Soviet society. Yerofeyev follows this model when he stages the Russian present as a grotesque circus in The Great Gopnik, in which power and anarchy become blurred. His characters are often diabolical figures who destroy the system with sadistic relish - not unlike Woland's henchman, the talking cat Behemoth, who shoots guns and cracks jokes about hell. b. The madness of everyday life: Daniil Charms, the Russian avant-gardist and founder of absurd realism, had a great influence on Yerofeyev. His short, often surreal texts full of violence, humor and nihilism are reflected in Yerofeyev's fragmentary, often grotesque narrative style. The master of the literary absurd has created a world in which people simply disappear, dissolve or fall from windows - not for dramaturgical reasons, but because the logic of reality is suspended. His short text A Certain Old Man tells the story of an old man who falls over and dies without warning - just like that. Yerofeyev uses this principle of sudden, senseless violence in many scenes in his work. In The Great Gopnik, a minor character is killed in mid-sentence as if he were an annoying fly - life in Russia is random, brutal and without compassion. c. Man's lost souls: Nikolai Gogol is known for his satirical exaggeration of characters and the absurd depiction of bureaucracy and power structures. No one has exposed the absurd bureaucracy of Tsarist Russia as farcical as Nikolai Gogol. In The Nose, a civil servant wakes up to find that his own nose has disappeared - and even worse: it is on the loose in St. Petersburg and is making a career for itself. The grotesque powerlessness of man in the face of an opaque system is a theme that Yerofeyev continues to explore. His characters do not fight against ghosts or demons, but against a Russian reality that is just as unpredictable and mocking as Gogol's overdrawn bureaucrats. d. The cabinet of Fyodor Dostoyevsky: The psychological depth and existential struggle with morality, guilt and chaos in works such as The Idiot and The Demons in particular influenced Yerofeyev's dark, philosophical reflections on his torn Russian soul. If there is a literary tradition that illuminates the inner abyss of man, it is that of Fyodor Dostoyevsky. In The Demons, a revolutionary murder becomes a farce because the perpetrators themselves do not know whether they are fighting for what is right or simply murdering. Yerofeyev continues this tradition by creating characters who teeter between megalomania and nihilism. In The Great Gopnik, a small-time crook suddenly becomes a politician - not because he is convinced or interested in power, but because circumstances drive him into this role. Like Dostoyevsky's Kirillov, who wants to kill himself to prove his absolute freedom, Yerofeyev's hero stumbles from one existential catastrophe to the next. e. Venedikt Yerofeyev and the Art of Drinking as Philosophy: One author with whom he is often confused is Venedikt Yerofeyev, who in the cult novel Moscow - Petushki lets a drunken, melancholy narrator stagger through the Soviet provinces. With his alcohol-soaked, poetic and tragicomic prose, this author left behind a legacy, a literary image of Soviet and post-Soviet neglect, which is also in streaks present in The Great Gopnik. His hero philosophizes about love, power and alcohol while getting drunk on spirits. Viktor Jerofejew's protagonists are very often alcoholics, but in his case the drunkenness turns into sheer violence. Where Venedikt Jerofejew still finds a tragicomic poetry, Viktor Jerofejew depicts a dehumanized world in which drinking is no longer rebellion, but merely survival. f. Franz Kafka and Jean-Paul Sartre: The absurdity of existence and the feeling of existential forlornness—central to the works of Kafka and Sartre—resonate in Yerofeyev’s portrayal of Russian society as a theater of the absurd. His Gopnik staggers through a meaningless system, fueled by vodka, poetry, and philosophical despair. Sartre’s famous line, “L’enfer, c’est les autres” (“Hell is other people”), from his play No Exit (Huis clos, 1944), captures the existential torment of being defined by the gaze of others. We are “prisoners” and our identities shaped and judged externally, which can become a form of psychological torture. Kafka anticipated similar ideas exploring how anonymous, inscrutable systems oppress the individual. In The Trial, Josef K. is condemned without knowing why—a symbol of how external forces, whether social or bureaucratic, strip away autonomy. To conclude, Viktor Yerofeyev's The Great Gopnik is characterized by a provocative, satirical and absurd writing style. His narrative is often fragmentary, exaggerated and full of grotesque exaggerations. He uses a laconic yet poetic language that oscillates between vulgar directness and philosophical reflection. He plays with excesses, crude comedy and surreal images to expose social and political grievances in Russia. He works with a mixture of black humor, existential despair and a certain playful resignation. His style is reminiscent of a mixture of Russian underground, postmodern satire and absurdist theater. His way of depicting Russian reality as a kind of grotesque carnival in which violence, power and chaos condense into an absurd farce is particularly striking. His work is a mirror in which not only Russia, but the entire modern world recognizes itself in its absurdity - and perhaps even laughs, albeit bitterly.
von Hans Pfleiderer 30. März 2025
Der Populismus ist ein immer wiederkehrendes Phänomen. „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Dieses oft Mark Twain zugeschriebene Zitat beschreibt treffend die aktuelle politische Lage in Deutschland und Europa. Populismus ist keine neue Erfindung, sondern ein Phänomen, das in Zeiten der Unsicherheit immer wieder an Kraft gewinnt. Er lebt von Ängsten, Krisen und dem Misstrauen gegenüber den Eliten – und genau diese Bedingungen sind derzeit gegeben. Während Deutschland auf die nächsten Wahlen zusteuert, stehen viele Menschen vor der Frage: Weiter so oder ein radikaler Wandel? Die Ampel-Koalition taumelt von einer Krise in die nächste, die Wirtschaft stagniert, und viele Bürger fühlen sich von der Politik nicht mehr repräsentiert. In diesem Klima florieren populistische Strömungen, die einfache Antworten auf komplexe Fragen versprechen. Doch ist das wirklich der Ausweg? Und der Populismus ist eine historische Konstante. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ Dieser Satz, der oft Gustav Heinemann zugeschrieben wird, mahnt zur Wachsamkeit gegenüber populistischen Bewegungen, die mit demokratischen Mitteln an die Macht kommen – aber oft wenig Interesse an demokratischen Prinzipien haben. Schon in der Antike nutzten Demagogen in Athen und Rom die Unzufriedenheit des Volkes, um gegen die herrschenden Eliten zu mobilisieren. In der Weimarer Republik waren es sowohl linke als auch rechte Populisten, die das Vertrauen in die Demokratie untergruben. Heute erleben wir eine neue Welle: In Deutschland, Frankreich, Italien, den USA – überall gewinnen populistische Parteien an Einfluss. Populisten teilen dabei stets eine zentrale Erzählung: „Wir gegen die da oben.“ Sie präsentieren sich als Stimme des „wahren Volkes“ gegen eine abgehobene Elite, die angeblich die Interessen der einfachen Bürger verrät. Dabei bieten sie einfache Lösungen an, die in der Realität oft nicht umsetzbar sind. Wenn die Mitte versagt, jubeln die Extreme. Ein Blick in den Bundestag zeigt, wie weit die politische Debatte inzwischen eskaliert. Wer sich die Redebeiträge der letzten Monate angehört hat, dem dürfte besonders der Auftritt eines bekannten FDP-Abgeordneten im Gedächtnis geblieben sein, der die Grünen als „wirtschaftsfeindliche Verbotspartei“ bezeichnete – und dabei sogar Applaus aus Reihen der CDU erhielt. Ein Bruch mit den bisherigen Koalitionspartnern, der nicht mehr kaschiert werden konnte. Wenige Wochen später konterte ein grüner Minister mit einer kaum verhohlenen Drohung: „Wenn wir nicht konsequent handeln, werden künftige Generationen uns nicht nur unsere zögerliche Klimapolitik vorwerfen, sondern auch den Verrat an der Demokratie.“ Man fragt sich, ob diese Regierung überhaupt noch eine gemeinsame Linie finden kann. Einer der denkwürdigsten Momente des vergangenen Jahres war jedoch eine Rede des AfD-Politikers Björn Höcke, der im Bundestag gegen die Ampel wetterte, während die Regierungsbank schweigend zusah. Die üblichen Empörungsrufe aus der Opposition verpufften – die AfD hatte die Bühne, die sie sich wünschte. Solche Momente zeigen, wie sich das politische Klima verändert hat: Während die etablierte Politik mit sich selbst ringt, nutzen die Populisten geschickt die Schwächen des Systems. Der gegenwärtige Populismus gärt in Deutschland und Europa gleichermaßen. „Die Mitte wird kleiner, die Extreme werden lauter.“ Dieser Trend zeigt sich in vielen Ländern Europas, aber besonders in Deutschland. Die wirtschaftliche Unsicherheit der letzten Jahre hat tiefe Spuren hinterlassen. Die Energiekrise, der Fachkräftemangel und die hohe Inflation belasten viele Haushalte und Unternehmen. Zugleich haben Themen wie Migration, Klimaschutz und Identitätspolitik die Gesellschaft tief gespalten. Wer sich nicht gehört fühlt, sucht nach Alternativen – und findet sie oft bei populistischen Parteien. In Deutschland ist es vor allem die AfD, die von dieser Entwicklung profitiert. Sie inszeniert sich als Partei der „Vergessenen“, obwohl ihre Lösungen meist nur aus Protest bestehen, nicht aus konstruktiver Politik. Doch auch in anderen politischen Lagern gibt es populistische Strömungen, die auf Vereinfachung und Polemik setzen, statt komplexe Herausforderungen realistisch anzugehen. Der Bruch der Ampel könnte man die Selbstzerstörung einer Koalition nennen. „Drei Parteien, drei Richtungen, null Gemeinsamkeiten.“ So könnte man die Ampel-Koalition auf den Punkt bringen. Von Anfang an war dieses Bündnis ein Zweckbündnis, nicht eine Koalition der Überzeugung. SPD, Grüne und FDP stehen für sehr unterschiedliche politische Ansätze – und das zeigt sich in ihrer Regierungsarbeit. Kaum ein zentrales Thema, bei dem sich die Ampel einig ist. Wirtschaftspolitik? Die FDP fordert Steuersenkungen, die Grünen setzen auf Transformation, die SPD sucht einen sozialen Ausgleich. Migration? Ein ständiges Tauziehen zwischen Realpolitik und Idealismus. Energiepolitik? Ein Flickenteppich aus Kompromissen, die niemanden wirklich zufriedenstellen. Und das Ergebnis ist naheliegend: Blockade, Frust und schwindendes Vertrauen in die Regierung. Ein Regierungsbündnis, das sich in öffentlichen Streitigkeiten zerlegt, stärkt letztlich nur die politischen Ränder. Die Menschen sehen eine Regierung, die nicht handelt, und wenden sich Alternativen zu. Doch wer glaubt, dass Populisten die besseren Antworten haben, irrt: Laut sein ersetzt keine Lösungen. Deutschland vor der Wahl: Wer übernimmt die Verantwortung? „Wer keine Vision hat, darf nicht führen.“ Deutschland steht mal wieder an einem Scheideweg. Die nächsten Wahlen werden darüber entscheiden, ob das Land einen pragmatischen Kurs in der Mitte einschlägt oder weiter in die politische Polarisierung abrutscht. Es gibt große Herausforderungen: Wirtschaftliche Stagnation, Fachkräftemangel, soziale Ungleichheit, Klimawandel, geopolitische Unsicherheiten. Diese Probleme lassen sich nicht mit einfachen Parolen lösen. Was nötig ist, sind pragmatische Lösungen, politische Führung und ein offener Dialog, der die Gesellschaft wieder zusammenführt. Dafür braucht es eine Politik, die nicht nur verwaltet, sondern gestaltet. Eine Regierung, die nicht in Krisenmodus verharrt, sondern eine klare Richtung vorgibt. Und eine Wählerschaft, die sich nicht von populistischen Versprechungen verführen lässt, sondern Verantwortung übernimmt – für sich selbst und für die Demokratie. Fazit: Populismus ist keine Antwort, sondern bleibt eine Illusion. „Demokratie ist mühsam, aber ihre Alternative ist schlimmer.“ Die Geschichte zeigt, dass Populismus selten die Probleme löst, die er anprangert. Er nutzt Krisen, aber er überwindet sie nicht. Er lebt von Empörung, aber bietet keine langfristigen Lösungen. Deutschland steht vor großen Herausforderungen – aber auch vor großen Chancen. Die Frage ist, welchen Weg es einschlägt. Setzt es auf Pragmatismus und Lösungen oder auf Populismus und Protest? Die Zukunft des Landes hängt davon ab, ob Politik und Gesellschaft bereit sind, die richtigen Antworten auf die schwierigen Fragen unserer Zeit zu finden. Quellenverzeichnis: Heinemann, Gustav. "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." Zitat, Ursprung nicht gesichert. Twain, Mark. "Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich." Zitat, zugeschrieben. Deutscher Bundestag. "Plenarprotokolle 2024/2025." Online abrufbar unter: https://www.bundestag.de Statistisches Bundesamt. "Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland 2023/24." Wiesbaden, 2024. Bundeszentrale für politische Bildung. "Populismus in Europa: Ursachen und Folgen." Bonn, 2023. Müller, Jan-Werner. "Was ist Populismus?" Suhrkamp Verlag, 2016. FAZ. "Analyse: Der Zustand der Ampel-Koalition." Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2025. Süddeutsche Zeitung. "Regierungsbilanz: Eine Koalition in der Krise." Artikel vom 12. Januar 2025. Spiegel Online. "Die AfD und der Aufstieg des Populismus." Online-Artikel, 2024. Zeit Online. "Extremismus in Deutschland: Eine Analyse." Artikel vom 5. Februar 2025. Management: medien@independentexperts.com
von Hans Pfleiderer 26. Mai 2024
„Wir wissen alle, dass Kunst nicht Wahrheit ist. Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt, wenigstens die Wahrheit, die wir als Menschen begreifen können.“ Pablo Picasso
von Hans Pfleiderer 8. April 2024
In der faszinierenden Welt der Lyrik eröffnet der vorliegende Gedichtband der preisgekrönten Berliner Schriftstellerin Rike Scheffler neue Horizonte. Dieses Werk ist kein gewöhnlicher Gedichtband; es fordert, verblüfft und belohnt seine Leserinnen und Leser auf eine Weise, die so ungewöhnlich ist wie seine Autorin. Schefflers Sprache entfaltet sich nicht sofort in ihrer vollen Pracht. Stattdessen verbirgt sie sich zunächst hinter einer Fassade aus Symbolen, Bildern und Rätseln, die beim ersten Lesen Widerstand und Befremden hervorrufen können. Doch dieser anfängliche Unverstand lädt zu einer tieferen Auseinandersetzung ein, zu einer Reise, auf der man die nuancierte Schönheit und Sensibilität ihrer Verse entdeckt. Dieser Gedichtband ist mehr als nur eine Sammlung von Gedichten; er ist ein interaktives Erlebnis. Durch ein ungewöhnliches Layout und die Einbindung von farbigen Bildern, die der Leserschaft die Freiheit lassen, sie an vorgesehenen Stellen einzukleben oder nach eigenem Ermessen im Buch zu verteilen, wird ein einzigartiger Dialog zwischen Text und LeserInnen, zwischen Dichterin und Welt geschaffen. Rike Scheffler fordert uns auf, nicht nur passive Konsumenten ihrer Worte zu sein, sondern aktive Teilnehmer an der Gestaltung des Leseerlebnisses. Indem wir physisch in das Buch eingreifen, nehmen wir nicht nur von seinem Inhalt Besitz, sondern lassen auch seine Essenz von uns Besitz ergreifen. Ein Blick auf die Rückseite des Einbandes gibt die Inhaltsangabe preis und skizziert in sieben Kapiteln die Sammlung von Gedichten, die sich über verschiedene Zeiträume erstrecken. Jedes Gedicht oder Gruppierung ist von der Gegenwart bis in die ferne Zukunft einem bestimmten Zeitraum zugeordnet. 1 to do wird als zeitloses Gedicht präsentiert, während 2 kleine Energien und 3 Wasser werden, Wal auf das späte 20. Jahrhundert bzw. das erste Jahrzehnt des 3. Jahrtausends verweisen. 4 bergen und 5 vom doppelten Tod behandeln zukünftige Zeiträume wie 2100 bis 2127 bzw. das Jahr 2143. 6 Ankunft, pastell wird auf etwa 2210 datiert, während 7 Rituale in einer unbestimmten Zeit nach 2300 verortet wird. Diese Kompilation von Gedichten bietet einen Einblick in historische Perioden und Zukunftsvisionen, die in poetischer Form erkundet werden. Am Anfang der Kapitel werden Zitate von namhaften VertreterInnen von Literatur, Feminismus, Wissenschaft, Aktivismus, und Kunst vorangestellt. Das erste Kapitel wird durch ein Zitat der Afro-Amerikanischen Künstlerin und Essayistin Renee Gladman aus Atlanta, Georgia eröffnet: „The sentence is at once a map of where we have gone and where we wish to go.“ Hier wird vermittelt, dass Karten mehr als geografische Darstellungen sind. Sie symbolisieren und leiten unsere Lebensreisen, indem sie vergangene Erfahrungen mit zukünftigen Zielen verknüpfen und sowohl unsere persönlichen als auch kollektiven Geschichten und Ambitionen reflektieren. Vergangenheit und Zukunft sind miteinander verbunden, wobei unsere Erfahrungen und Handlungen unsere zukünftigen Bestrebungen beeinflussen. Nun zum ersten Gedicht:
von Hans Pfleiderer 25. März 2024
Wenn es Euch gefallen hat, dann schreibt bitte etwas! Danke
von Hans Pfleiderer 1. März 2024
Es ist immer wieder erstaunlich, wie geheimnisvoll manche Artikel bleiben, wenn es um etwas Geheimnisvolles geht. Und dasselbe gilt für Kunstausstellungen im Allgemeinen und der Ausstellung REVISIONS im Rautenstrauch-Joest Museum in Köln. Ich muss erwähnen, dass ich diesen Brief in situ von zu Hause schreibe und die Ausstellung nicht mit eigenen Augen gesehen habe, sondern mich auf den Artikel von Dr. Anette Rein in ExpoTime! Ausgabe Jan/Feb 2024 beziehe. Die Ausstellung thematisiert die Auswirkungen der europäischen Kolonialisierung auf die indigenen Völker Australiens, insbesondere die Warlpiri, die in Zentralaustralien leben. Sie betonen ihre tiefe spirituelle Verbindung zum traditionellen Land, wobei ihre Kunst die Notwendigkeit hervorhebt, identitäre Perspektiven zu integrieren und zu respektieren, die in westlichen historischen Narrativen fehlen. Die Warlpiri-Künstler nutzen vorwiegend die Punktemalerei, um ihre Geschichten und kulturelles Selbstverständnis auszudrücken und historische Verzerrungen ihrer Geschichte zu kritisieren. Die Ausstellung zeigt die Reinterpretation von Archivmaterial und historischen Fotografien durch die Warlpiri-Künstler, um ihre Sichtweise auf die australische Geschichte zu präsentieren. Sie schaffen neue Erzähl- und Bildformen, um die komplexen Beziehungen zu ihren Vorfahren und Traumpfaden, in ihrer eigenen Sprache "jukurrpa" genannt, darzustellen. Besucher werden ermutigt, die Grenzen westlicher Wissensansprüche zu hinterfragen und die Welt aus indigenen Perspektiven zu betrachten.
von Hans Pfleiderer 20. Februar 2024
Der amerikanische Künstler Doug Aitken ist im Sindelfinger Schauwerk zu sehen. Das Schauwerk ist ein Privatmuseum des im Jahre 2015 verstorbenen Industriellen Peter Schaufler, welcher als Geschäftsführer des Unternehmes BITZER Kühlmaschinenbau GmbH, dem weltweit größten Hersteller von Kompressoren für Kälte- und Klimaanlagen, ein leidenschaftlicher Sammler zeitgenössischer Kunst war. Zu seinen Lebzeiten avancierte er mit über 3500 umfangreicher Werke zu den bedeutendsten Privatsammlern in Deutschland und vermachte seine Sammlung der 2005 gegründeten Schaufler Foundation. Zeitgenössische Kunst umfasst die Kunstwerke, die in der Gegenwart oder in jüngerer Zeit seit den 1960er Jahren entstanden sind und die Vielfalt und Aktualität der kulturellen Landschaft widerspiegeln. Als grundsolider Schwabe lebte er nach dem Motto „Zusammenführung von Unternehmertum mit Wissenschaft, Forschung und Kunst“ und stiftete mit dem Bau eines Museums, dem Kuratieren und der Kunstvermittlung seine Kunstwerke sozusagen der Öffentlichkeit. Jetzt stehe ich vor dem Dilemma, dass ich nicht genau weiß, was ich über diesen 55-jährigen Mann aus Kalifornien schreiben soll, über diesen weltberühmten Künstler, dem seit seiner preisgekrönten Videoinstallation «Electric Earth», die er 1999 anlässlich der 48. Biennale in Venedig ausgestellt und für die er den Goldenen Löwen bekommen hatte, die Lobeshymnen in die Ohren schallen und die Preise und Auszeichnungen aus den Ohren quellen. Das gilt auch für die Preise, die er mittlerweile aufrufen kann. In der großflächigen Fertigungshalle des ehemaligen BITZER Stammwerkes stellt das Museum in einer großen Einzelausstellung mit dem Titel „Return to the real“ vier seiner Arbeiten vor. Die Erste ist Wilderness von 2022, eine Videoinstallation auf runden Leinwänden. Zu Beginn der Corona-Pandemie nahm Aitken Videos vom täglichen Leben am Strand in der Nähe seines Hauses in Los Angeles auf. Diese Videos wurden mit künstlich generierter Musik hinterlegt und zeigen einen durch Landschaftsaufnahmen und Szenen von Menschen am Strand in Zeitlupe den rhythmisierten Zyklus vom Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Nacht. Ich selbst lebte über 10 Jahre an der Westside von Los Angeles und verbrachte viele Abende an eben diesem Strand. Die Menschen kommen, mich eingeschlossen, möglicherweise dorthin, um beim Beobachten des Sonnenuntergangs und beim Hören der tosenden, nicht enden wollenden Brandungsgeräusche über das Universum und den Lauf der Welt zu meditieren, um festzustellen, dass wir völlig insignifikant sind im Hinblick auf das großartige Spektakel. Und die Kommentare seiner Rezensenten, dass man in seine Arbeiten viel hineinlesen kann, wie z.B. dass seine Installationen die Verschmelzung von digitalem und realem Leben sowie die Fragmentierung von Raum und Zeit durch die Digitalisierung reflektieren, sogar Fragen zur Identität, Kommunikation und Entfremdung in der modernen Gesellschaft stellt und als Metapher für zwanghafte Migration aufgrund von Notlagen dient, teile ich kategorisch nicht. Die Fernsehnachrichten können das deutlich besser. Die Zweite ist migration (empire) von 2008. Das Kunstwerk zeigt auf drei hintereinander stehenden Stahl-Billboards verlassene Städte und Landschaften, gefilmt in Motelzimmern quer durch die USA. Nordamerikanische Wandertiere erkunden die Zimmer, reagieren auf ihre Instinkte und interagieren mit den für sie künstlichen Umgebungen. Mir kommt da in den Sinn, dass der einst als kalifornischer Beachboy bezeichnete Doug Aitken eine Welt kreiert, die wie ein Shooting in einem Studio aussieht und sich mir die Frage stellt, ob er die Akteure bei der Talentagentur CAA in Hollywood angefragt hatte, weil sie entweder berühmt sind oder wie Models aussehen, die Tiere mit inbegriffen. Für mich ist das in keiner Weise eine Konfrontation mit Natur und Künstlichkeit, sondern eine durch und durch inszenierte Artifizialität. Der Künstler selbst ist der Meister seiner Künstlichkeit. Als ein Vertreter von Hollywood hat er sich mittlerweile auch den Klischees und Stereotypen unterworfen. Katinka Fischer von der FAZ nennt es parodistisch „Kreatur trifft Zivilisation.“ (FAZ, Künstler Doug Aitken, Der Waschbär im Motel von Katinka Fischer, 29.09.2023)
von Hans Pfleiderer 25. Mai 2023
I went to enjoy the Swiss premiere of "Lessons in Love with Violence", an opera composed by Sir George Benjamin with a libretto by Martin Crimp. It premiered in 2008 and has since gained critical acclaim for its powerful and gripping music. The opera tells a dark and complex story of love, power, and inevitable dramaturgic cruelty set in an unnamed court of the 18th century. Benjamin's score is characterized by its rich orchestration, intricate vocal writing, and a wide spectrum of musical styles that span from lyrical melodies to dissonant and angular passages. Also the characters seem to get more and more sucked in and caught up in tri-angular conflicts. The music effectively captures the dramatic tension and emotional depth of the narrative, making "Lessons in Love with Violence" a compelling and thought-provoking operatic experience. More, though, Sir George Benjamin's music is characterized by its meticulous craftsmanship and sonic beauty. He frequently employs vivid orchestration, with a keen sense of color and texture. Benjamin's compositions often explore timbral and rhythmic complexities, showcasing his mastery of contemporary techniques while maintaining a deep connection to emotive and eeire qualities. His works demonstrate a unique blend of modernity and tradition, combining innovative approaches with a profound understanding of classical forms and structures. The result is music that is intellectually stimulating, emotionally evocative, and highly captivating for both performers and listeners alike. The set by Rufus Didviszus could not transport me into the 18th century. Besides a pseudofeudal graffiti, wasn't it a time of great social reform shouting of Hume, Bentham and Berkeley? Again, the set was fixed and flat and could not gain any motion from dressing it with mobile stands with red stadium seating. Cheap, isn't it. Director Evgeny Titov from Kasakhstan, obviously fairly new to the opera business, could also not inspire his performers with contemporary guidance and gusto to avoid the typical clichees of his lead cast and raggedy-overdressed extras, which mostly moved like retards and zombies. Unfortunately I have been forced to yawn whenever the lead went down on his knees. I call it lead poisoning. Nevertheless I was particularly thrilled by Janine De Bique's and Ivan Ludlow's interpretation, which let me forgive and forget my overcritical thoughts for a time well spent. It's worth to go and experience for yourself.
von websitebuilder 22. Februar 2022
Im Herbst 1993 fing ich an der TU Berlin an, meine Diplomarbeit in Architektur zu schreiben. Basierend auf dem Entwurf einer vorherigen Arbeit eines Lichtarchitektur-Mediencenters, hatte ich anfangs vor, den Alexander Platz mit Wolkenkratzern gnadenlos vollzustellen, um dem ursprünglichsten Berliner Downtown eine würdevolle Skyline oder Kulisse zu geben. Es sollte doch endlich Schluss sein mit der Berliner Traufhöhe. Als Berliner Traufhöhe wird eine Traufhöhe von 22 Metern bezeichnet. Die Traufhöhe ergab sich im Zuge der Stadterweiterung Berlins im 19. Jahrhundert nach dem Hobrecht-Plan, um zu verhindern, dass bei Bränden umstürzende Fassaden gegenüberliegende Häuser beschädigen. Nur rund 0,35 Prozent aller 370.000 Berliner Gebäude (Stand Herbst 2019) sind höher als 35 Meter und überragen damit die Traufhöhe um 50 Prozent und mehr. Am 25. Februar 2020 vom Berliner Senat ein Hochhausleitbild beschlossen, in dem „die Berliner Traufhöhe von 22 Metern in der Innenstadt kein Dogma mehr sein“ sollte. Also begann ich, das Quartier zu besuchen, was ich ja seit einigen Jahren ungehindert betreten durfte. Kaum vier Jahre zuvor hatte ich während einer Exkursion entlang der S-Bahn Gleise im Stadtteil Wedding in die Läufe von Maschinengewehren geschaut und musste mich mit Todesdrohungen anschreien lassen, weil ich einem voll besetzten Wachturm zu nahe kam. Bei meinem Quartierbesuch stieg ich am Alexanderplatz aus und lief die Karl-Liebknecht-Straße Richtung Unter den Linden. Entlang am Interhotel, dem Fernsehturm, der Marienkirche, dem Roten Rathaus, dem stillgelegten Geisterhaus Palast der Republik und dem Berliner Dom erreichte ich die Museumsinsel.
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